Don‘t walk in line!

m 24. Februar 2022 griff Russland die Ukraine an. Die Linke war von dem Angriff Russlands auf die Ukraine überrumpelt und hatte dementsprechend große Schwierigkeiten, diesen Krieg analytisch wie politisch einzuordnen. Seit dem Ausbruch des Krieges hat communaut defätistische und antimilitaristische Beiträge veröffentlicht.  Der folgende Text will an die vorangegangenen Interventionen anknüpfen und gängige linke Argumente zum Krieg einer Kritik unterziehen. Unsere Überlegungen zielen auf eine Klassenpolitik ab, die sich nur aus einer antimilitaristischen Position zum (sowie im) Krieg ergeben kann. Wollen wir uns nicht in den Dienst des Krieges stellen, müssen wir an einer autonomen Strategie arbeiten. Tun wir dies nicht, laufen wir Gefahr im blutigen Kampf zwischen Staaten und Kapitalfraktionen zerrieben zu werden. Was wir unter einer Klassenposition (praktisch) verstehen, wollen wir im Weiteren ausführen. Zunächst zeigen wir auf, weshalb uns Kommunist:innen der Krieg in der Ukraine etwas angeht. Dann greifen wir die Idee eines militärischen Sieges der Ukraine an. Schließlich wollen wir die praktischen Implikationen einer Klassenpolitik in Kriegszeiten umreißen.

1.Was geht uns westliche Kommunist:innen der Krieg in der Ukraine an?
Der Ukrainekonflikt hat eine globale Dimension. Die Kämpfe finden auf dem Boden sich verschiebender geopolitischer Tektonik statt, weshalb der Krieg seinen lokalen bzw. binationalen Charakter weit überschreitet. Da wir deshalb als globale Linke tangiert sind, wollen wir zunächst den geopolitischen Kontext des Krieges beleuchten. Hier wird schnell deutlich, dass sich gegenwärtig in der Ukraine verschiedene Konfliktlinien kreuzen, mal recht offensichtlich mal kaum erkennbar. Leider hat die Linke seit Ausbruch des Krieges häufig mit schemenhafter Analyse versucht, der Situation habhaft zu werden. Oft verabschiedeten sich Genoss:innen von einer Klassenanalyse bzw. begruben den Klassenwiderspruch unter ihren fundamentalen Fehlurteilen. Der verbreiteten Annahme, dass nur Staaten Akteure in diesem Konflikt sind, wollen wir zudem entgegenstellen, dass bestimmte Privatkapitale den Konflikt prägen und eskalieren und der militärisch-industrielle Komplex gegenwärtig durch massive Aufrüstungsprogramme in allen Staaten gestärkt wird. Diese gleichzeitigen Entwicklungen– Aufrüstung in einer Situation sich zuspitzender globaler Konflikte- zeichnen das Bild einer düsteren Zukunft.

1.1.Geopolitik
Über die Gründe des Krieges sowie seinen Charakter herrscht nach wie vor größte Uneinigkeit. Um das Spektrum der Diskussion abzubilden, wollen wir zwei ‚linke‘ Erklärungsansätze kurz darstellen. Auf der einen Seite herrscht eine Art „verkürzter Realismus“ vor, der sich nur mit abstrakten Staatsinteressen beschäftigt. Wir bezeichnen ihn deshalb als verkürzten Realismus, weil meistens nur die Aktionen des Westens und der NATO betrachtet werden1. Russlands Krieg erscheint dann ausschließlich als Reaktion auf einen westlichen Imperialismus und implizit (oder manchmal sogar explizit) werden russische „Sicherheitsinteressen“ akzeptiert. Diese Perspektive wird vor allem von Autor:innen wie Jörg Kronauer,  der Jungen Welt oder dem Gegenstandpunkt eingenommen. Diese Betrachtungen lassen sich leicht für die in bestimmten Teilen der Friedensbewegung verbreiteten Forderung nach einem Friedensschluss mit Russland und einer Öffnung von Nordstream einspannen, um „unsere“ Wirtschaft zu retten. …