Food not Bombs – eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA

Foto oben: Keith McHenry – Essen mit Polizeischutz

Widerstand aus der Küche – Food Not Bombs
Eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA
Von: Keith McHenry


ie Bewegung „Food Not Bombs“ (FNB, dt. „Essen statt Bomben“) entstand in den 1980er-Jahren in den USA und war wegen ihrer Kritik an Staat und Militär zeitweise harter Repression ausgesetzt. Dass sich die Aktivist*innen davon aber nicht einschüchtern ließen, sondern – begleitet von politischer Öffentlichkeitsarbeit – weitermachten, führte zur Verbreitung der Idee und zur Gründung von immer neuen FNB-Gruppen weltweit. Über die Ursprünge der Bewegung in Boston und die bewegten Jahre in San Francisco berichtet für die Graswurzelrevolution „Food Not Bombs“-Mitbegründer Keith McHenry. (GWR-Red.)

Food Not Bombs ist möglicherweise eine der gefährlichsten Bewegungen aus Sicht der globalen Konzernmacht. Nicht nur wegen unseres Namens, sondern weil wir eine Gemeinschaft aufbauen, die sich deren System und Kontrolle entzieht.

Riot Police gegen veganes Essen

An diesem frischen 15. August 1988 hängt der Nebel mittags noch in den Ästen der Bäume am Eingang des Golden-Gate-Parks. John, Derek und ein paar andere bauen zwei schwere Klapptische auf und stellen Schüsseln mit veganem Essen darauf, so wie wir das seit Monaten jeden Montag machen. Ein paar Wohnwagen- und Parkbewohner*innen und einige Freaks stehen in einer losen Reihe an und warten auf ein weiteres Food-Not-Bombs-Mittagessen. John hat einen seiner Lieblingssongs der „Meat Puppets“ auf seinem Ghettoblaster aufgedreht. Meine Frau Andrea und ich schließen uns der Szene an. Ich bin gerade nach einer Woche im St-Mary’s-Spital, wo ich wegen eines Blinddarmdurchbruchs lag, wieder entlassen worden.
Eine Gruppe von Leuten aus dem Stadtteil Haight-Ashbury, darunter der Fotograf Greg Garr, schaut nervös zu. Sie sind zu Recht beunruhigt: Der Polizeikommandant von San Francisco, Richard Holder, führt eine Einheit der Riot Police (Bereitschaftspolizei) aus dem Wald und umstellt die Essens- und Infotische. Ein Polizeiwagen rollt in Position. Holder weist seine Männer an, mich als ersten zu verhaften. Andrea eilt außer sich neben dem verhaftenden Beamten her: „Er ist soeben aus dem Krankenhaus entlassen worden“, schreit sie und zeigt in meine Richtung. Als er mein T-Shirt hochzieht, entdeckt er einen Berg Gaze um meine Hüfte und blafft: „Oh, Fuck“.
John, Derek und sechs weitere passionierte Food-Not-Bombs-Austeilende werden in Handschellen gelegt und zu mir in den Polizei-Transporter gestopft. 
Deetje Boler ist mit einem Kassettenrekorder zur Stelle und nimmt die Notlage auf: „Wenn die uns nicht bei Food Not Bombs essen lassen, dann stürmen wir Cal Foods auf der anderen Straßenseite!”. Dazu kommt es nicht. Stattdessen skandieren die Leute „Food Not Bombs“, und wir Festgenommenen schaukeln im Van hin und her zu unserem eigenen Lied. Wir neun werden ungefähr vierzehn Stunden später aus dem Knast in der Bryant Street 850 entlassen. Der lange Tag in dieser dreckigen Betonzelle hat jedoch unseren Enthusiasmus nicht gedämpft. Diese Verhaftungen waren die Antwort des „Recreation and Parks Department“ (1) auf unseren Antrag vom 11. Juli 1988 für eine Bewilligung unseres Infostands und der Essensausgabe an der Ecke Haight Street/Stanyan Street.

Breite Unterstützung gegen Polizeigewalt

Als ich am nächsten Tag erwachte, erfuhr ich, dass der San Francisco Chronicle in einem Leitartikel auf Seite 3 über die Verhaftungen berichtet hatte – illustriert mit einem dreispaltigen Foto der Bereitschaftspolizei, die unser Essen vor den Hungrigen bewacht. Das machte auch viele wütend, die die Brutalität nicht mit eigenen Augen gesehen hatten. Wir organisierten ein Treffen mit Stadtteilaktivist*innen und einigten uns darauf, am darauffolgenden Montag, dem 22. August, von der zur Haight Street gelegenen Seite des Buena-Vista-Parks zu unserem Standplatz im Golden Gate Park zu ziehen. David Solnit machte ein Flugblatt mit dem Foto von Greg Garr aus dem Chronicle-Artikel, auf dem die behelmte Polizei zu sehen ist, wie sie das Essen und die Leute, die es ausgeben wollen, einkreist.
Wir trafen uns also um 11.30 Uhr an der Ecke Central Street/Haight Street. Kisten mit Lebensmitteln bildeten eine Reihe entlang des Bürgersteigs. Töpfe mit Reis, Bohnen und Suppe standen auf ein paar Milchkisten für die Aktion bereit. Viele Leute hatten Töpfe und Löffel mitgebracht, um während der Demo zur Stanyan Street Lärm zu machen. Max Ventura stand auf einer grasbewachsenen Straßenböschung über der versammelten Menge und stimmte »The World Turned Upside Down« von Leon Rosselson an.
Die Versammelten strömten in die Haight Street und skandierten: »Food Not Bombs, Food Not Bombs!« Eine bunte Mischung aus Schildern, Transparenten, Lebensmitteln und Töpfen mit Gerichten zog widerspenstig in Richtung Eingang des Golden Gate Parks. Die Polizei auf Motorrädern unternahm ein paar zaghafte Versuche, die Straße zu räumen, wurde aber ignoriert. Wir stellten das Mittagsessen und die Lebensmittelspenden auf Planen, weil wir die von der Polizei beschlagnahmten Tische noch nicht zurückbekommen hatten. Unsere Stammgäste bildeten eine Schlange. Nacheinander wurde an die ersten zwanzig das Mittagessen ausgegeben. In diesem Moment stürmt ein Sonderkommando der Polizei heran und zerrt die Leute, die das Essen ausgeben, zu einer Kolonne von Polizeiwagen, die entlang der Waller Street geparkt sind. Ein Kameramann von CNN ist unter den Journalist*innen, die danach …